Costa-Luminosa-Schiff

Woche 2

Freitag, 13.1. auf See (400 SM vor den Kapverden), 20 Grad Celsius

Heute nehmen wir uns Zeit, mal die Gäste etwas unter die Lupe zu nehmen.

Es ist schon erstaunlich, welch angegraute Mischung an Männlein und Weiblein sich auf so einem Geriatrie-Kreuzer tummelt. Eines mal vorneweg: Sicher mehr als 60-70% sind ganz einfach übergewichtig, und dazu zähle ich mich selbstredend auch! Aber nicht einfach so ein bisschen übergewichtig, nein, von extremer Leibesfülle. Jeder Logik widersprechend, machen jedoch gerade diese Leute an den Buffets ihre Teller so voll, dass einem vom blossen Zusehen fast schlecht wird. Geradezu erfrischend für das Auge kontrastieren dann ganz „normale“ Personen, mit normaler Postur und leicht federndem Schritt, aber diese sind hier eine schützenswerte Minorität. Neben all den 95% älteren oder hochbetagten Passagieren tummeln sich auch ein paar Kinder auf den Decks. Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen wie sie lärmen und herumtollen. Überraschend viele Behinderte in Rollstühlen und mit Rollatoren kurven auf der CL herum. Gestern Abend habe ich im Dancing eine junge, sehr hübsche Frau in ihrem Rollstuhl gesehen, wie sie alleine und gedankenverloren auf der Tanzfläche herumgefahren ist und sich nach der Musik bewegt hat. Das hat mich sehr bewegt.

Leider halten sich nicht immer alle an die durch die Bordzeitung mitgelieferten Kleider-Empfehlungen. Man müsste einfach kurze Hosen an einer Bar verbieten, speziell wenn diese sich im Atrium befindet! Die meisten der reifen Damen sehen aus, wie wenn Sie mit dem Schminkkasten einen Unfall gehabt haben. Den Spruch mit dem Kurschatten kann ich hier auf jeden Fall getrost vergessen. Es befinden sich Personen an Bord, denen viel daran gelegen ist, zu zeigen wie viel Geld sie haben. Reifere, gut gepflegte Herren laufen den ganzen Tag mit Anzug und Krawatte herum. Mal beobachten, was sie dann anziehen, wenn es z.B. in Rio 34 Grad ist mit 90% Luftfeuchtigkeit.

Heute haben wir den dritten Tag seit Casablanca auf See und morgen um 9 Uhr sollen wir in Mindelo einlaufen. So jedenfalls steht es im Reiseprogramm. Auf Wikipedia steht folgendes auf den ersten Zeilen über Mindelo:

Mindelo auf der Insel São Vicente (Kap Verde) ist mit 76.107 Einwohnern (2010) die zweitgrößte Stadt der Kapverdischen Inseln. Der Hafen, der ab 1850 eine wichtige Versorgungsstation auf den Transatlantikrouten war, dient heute als Anlegepunkt für Kreuzfahrtschiffe. Bekannt ist Mindelo für seinen farbenprächtigen Karneval, der an den brasilianischen Karneval erinnert. Mindelo gilt manchen als die kulturelle Hauptstadt von Kap Verde.
Den Rest könnt Ihr selber nachlesen.

Samstag, 14.1.17, Mindelo / Kapverden, 22 Grad Celsiusi

Heute Morgen gegen 9 Uhr sind wir in der Karibik angekommen. Ich und meine Freunde vom Abendtisch unternehmen einen gemeinsamen Fussmarsch in das pittoreske Städtchen. Und man taucht sofort ein in eine für uns fremde Welt. Alte und neue Häuser, in bunten Farben oder in weiss, viele im Kolonialstil längst vergangener Zeiten. Etwas fällt sofort auf: Die Leute haben hier Zeit, und zwar GAAANZ VIIEEL ZEIT. Keine Hast, keine Eile, der moderate Verkehr auf den Strassen fliesst langsam und geordnet. Kein Gehupe, keine Stinkefinger, alles ganz friedlich. Ein Genuss, wie früher der Sendeschluss im Fernsehen.

Wir besuchen ein Museum für artisanale Kunst. Im Background läuft eine eingängliche, wunderbare Melodie und ich frage einen Museumsangestellten nach dieser Stimme. Er ist ganz erstaunt, dass ich die Sängerin nicht kenne, die Cesaria Evora, die berühmteste Fado-Sängerin, die je auf diesem Planeten gesungen hat. Man nannte sie einfach nur „The Diva of bare feet“ und an ihre Beerdigung kamen über 50000 Menschen nach Mindelo, um ihr das letzte Geleit zu geben. Die Musik geht mir so ins Herz, dass ich gleich eine CD kaufen muss.

So und nun noch etwas anderes, leicht betrübliches. Seit 2 Tagen bin ich wieder am Husten, und es wird immer schlimmer. Wieder auf dem Schiff zurück, lege ich mich dann halt ins Bett und hoffe, dass es nicht schlimmer wird. Aber es wird schlimmer, viel schlimmer! Abends um 8 Uhr messe ich das Fieber, 38,7 Grad, und ich fühle mich ganz beschissen schlecht. Meine überaus nette Cabin Hostess bringt mir eine Bouillon, um wenigstens etwas Salz zu mir zu nehmen. Das Fieber dümpelt mich in unruhigen Schlaf und ich höre von weitem immer wieder die Fado-Sängerin. Ich nehme an, dass ich mir wegen den verd.. Klimaanlagen, welche auf dem Schiff überall laufen, eine zügige Erkältung zugezogen habe.
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Sonntag, 15.1.17, auf See, 23 Grad C.nun

Was für ein nichtssagendes Bild, ich weiss. Aber ich kann es nicht ändern, es gibt nun mal nichts anderes um uns herum als: Wasser, Wasser, Wasser. Auf dem Weg zwischen Europa und Südamerika – unser nächster Hafen am kommenden Mittwoch heisst Recife (BRA) – liegen so geschätzte 100 Millionen Badewannen voll Wasser dazwischen. Wir werden diese Nacht bereits zum 4. Mal die Zeit um 1 Stunde zurückstellen, d.h. eigentlich werde ich jedes Mal um 1 Stunde jünger, oder vielleicht wird mir auch 1 Stunde von meinem endlichen Leben abgezwackt, ist doch ein schöner Nebeneffekt, diese Zeitverschiebung … je nachdem wie man das sieht.
Bei so langen Fahrten über die offene See wird das Leben an Bord immer gleichmässiger und ausgetrampelter. 07:30h Frühstück auf Deck 9, ab 11:45h ist der Grill, ebenfalls auf Deck 9, geöffnet, um 17:15 Treffen mit S. aus Uster an der Bar zum Apero und um 18h wird im grossen Speisesaal das Abendessen serviert. Dieser tägliche Einheitsbrei wird bei Landgängen oder Exkursionen wohltuend unterbrochen. Ihr werdet Euch jetzt sicher fragen, ob ich mich nur mit Essen beschäftige. Natürlich nicht! Im Gegenteil. Wenn ich so weitermache mit wenig Essen und Kranksein, werde ich sicher leichter zurückkehren.
Die beiden Damen aus Deutschland, welche bei uns am Tisch sind, heissen Rotraut und Edelgard. Habt ihr schon mal solche deutschen Vornamen gehört? Die Namen konnte ich mir nur mit einer List merken: Die Rotraut wurde dann zur Rotkraut und die Edelgard zur Edelfäule (ein Begriff aus der Önologie)! So ging's.
Ich bin heute wie gerädert um 6 Uhr aufgewacht, habe dann beinahe einen halben Liter Mineralwasser getrunken. Das Fieber scheint herunter gegangen zu sein, aber mir schmerzen alle Knochen wie nach einem veritablen Marathonlauf. Heute Abend gibt’s bei mir nur eine Bouillon, etwas Salat und zwei Kugeln Eis. Die Glacé soll ja auch gut sein, bei Halsschmerzen.

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Montag, 16.1.17, auf See, 27 Grad C.un

Weil der Verlauf meiner Erkältung bis dato eher einer Berg- und Talfahrt glich, hatte ich mich gestern entschlossen, den Bordarzt aufzusuchen, man weiss ja nie. Hä, Leute, das war die reinste Muppetshow! Um 16h öffnet die Nachmittags-Sprechstunde. Ich bin um 10 vor 4 da, aber schon nicht mehr der erste welcher vor der geschlossenen Türe wartet. Nachdem ein Crewmitglied im weissen Hemd und Schulterpatten Marke „Sottotenente“ uns pünktlich aufgeschlossen und herein bittet, werden unsere Personalien aufgenommen. Dieser gleiche nette Herr bittet uns dann, einer nach dem andern, hinein in das winzige Untersuchungszimmer, wo auf einer Seite eines noch winzigeren Schreibpultes ein Arzt sitzt. Es muss auf jeden Fall einer gewesen sein, denn er hatte einen weissen Arztkittel über den Schultern. Sein Alter habe ich auf weit über 80 Jahre geschätzt. Und er sieht aus wie einer der beiden Alten aus der Muppetshow, Stattler oder Waldorf, das lässt sich nicht so genau definieren. Es ist zum piepsen. Nur reisst der Dottore hier keine lustigen Sprüche sondern schweigt beharrlich. Fieber- und Blutdruckmessen, das macht sein Adlat, der Unterleutnant. Der Herr Doktor hört dann mein Herz ab, klopfte auf meinen Rücken und murmelte geheimnisvolle Worte. Ich kann zwar ein bisschen Italienisch, aber ich habe kein Wort verstanden. Dann knallt mir der Medikus 2 Medikamente auf den Tisch, ein Antibiotika und einen Hustensirup, und sogleich durfte ich die Rechnung unterschreiben: Macht 89.88€, wird direkt von meinem Bordaccount abgezogen. Grazie. La prossima, per favore .. Brav, wie ich nun mal bin, werde ich diese Medis nehmen und hoffen, dass sie auch was nützen.

So, und nun möchte ich hier mal eine Lanze brechen für die vielen hundert und aberhundert Helfer, welche uns auf dem Schiff das Leben versüssen. Angefangen beim technischen Personal, welches man ja praktisch nie sieht, über die Tellerwäscher, die Köche, die Barkeeper, die Kellner, das Reinigungspersonal usw. usf. Sie alle kommen aus Ländern wie Indien, Philippinen, Taiwan o.ä. Ich habe gehört, dass viele von ihnen hier 8-9 Monate ihren Dienst verrichten, und zwar ohne eine einzige Pause, für einen Hungerlohn, und den Rest des Jahres zurück zu ihren Familien kehren um das verdiente Geld abzuliefern.
Eine besonders fleissige Gattung habe ich noch nicht erwähnt, das sind all die vielen Boys und Girls welche hier die Zimmer der über 2000 Gäste machen. Und da kann ich mich besonders glücklich schätzen. Ich habe mit Jenelin eine überaus bezaubernde junge Frau zugeteilt bekommen, deren Anmut und Grazie nicht von dieser Erde zu sein scheint. Wenn ich ihr per Zufall auf dem Gang oder in meinem Zimmer begegne, senkt sie scheu den Blick und strahlt mich mit einem Lächeln an und haucht „Hello Sir Urs, how are you“. In solchen Momenten vergesse ich jeweils, dass ich demnächst 70 werde. Ich frage sie mal, ob ich ein Foto von ihr machen darf, das werde ich euch dann nicht vorenthalten.
Heute Abend um 22:15h werden wir den Äquator überqueren, und das soll ja immer ein besonderes Fest für die Gäste werden. So mit Eiern an den Kopf werfen, Speisereste über den Körper verteilen usw. Und Neptun schaut dabei zu, dass alles mit rechten Dingen zu her geht. Zu guter Letzt werden dann die Delinquenten in den Pool geschmissen und so getauft. Wer diese Prozedur ohne Schaden an Leib und Seele übersteht, kriegt dann ein Diplom und ein Glas Champagner. Na gut, mir soll es recht sein, aber ohne mich. Eventuell gibt’s ein paar lustige Fotos vom Event.

Im Moment haben wir hier auf meinem Balkon 26 Grad, die Wassertemperatur ist 29 Grad und die schwüle Luft ist kaum auszuhalten, also nichts für mich. Drum bleibe ich lieber drinnen auf meinem Zimmer, da ist es schön kühl.
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Dienstag, 17.1.17, auf See, 27 Grad C.n

Nothing important to write home about.
Mittwoch, 18.1.17, auf See, 29 Grad C.

Es gibt viele eindrückliche und aussergewöhnliche Wetterphänomene, welche uns hin und wieder in ihren Bann ziehen. Was ich aber vergangene Nacht erlebt habe, gehört für mich schon in die Kategorie „huara verreggt“. Wie etwa das Nordlicht über Kirkenes in einer klaren Winternacht oder der Meteoriten-Einschlag vor der Halbinsel Yucatan vor 65 Mio Jahren. Selbiger trug dann auch zum Auslöschen von Dino & Co. bei. Sorry, aber ich bin abgeschweift.
Da ich partout nicht schlafen kann, kein Wunder bei den fiebrigen Schlafexzessen vor einigen Tagen, stehe ich auf meinem Balkon und schaue in die Nacht hinaus, es muss so gegen 3 Uhr sein. Ich wusste, es waren Gewitter angesagt, und selbige dräuten dann schon am Abend auch tatsächlich herauf. Die Nacht war pechschwarz, das Meer war pechschwarz und man konnte in diesem schwarzen Nichts nicht erkennen, wo das Meer aufhört und der Himmel anfängt. Einfach ein schwarzes Loch, drum herum schwärende Feuchtigkeit. Dann: Ein wabernder, greller Blitz quer über den Himmel, ein näher kommendes infernalisches Rumpeln, und da war es – das Gewitter. Die Szenerie war gleichzeitig gespenstisch und faszinierend, einfach morbid. Die Blitze zuckten über den Himmel, der Donner polterte und der Himmel öffnete seine Schleusen und unsere Hütte war mit den – wie jede Nacht – in blendendes Licht getauchten Rettungsbooten zur Zielscheibe von Klabautermännern und Höllenreitern geworden. Einfach grandios! Richard Wagner lässt grüssen. Oder Zarastro aus der Oper „Die Zauberflöte“ von W.A.Mozart.
Die beigelegten Bilder zeigen wenige Stunden zuvor die Entwicklung solcher Gewitter, die besonders in den Tropen, und in denen befinde ich mich nun, ganz heftig ausfallen können. Herr Bucheli von Meteo Schweiz wird euch genau erklären können, wie das alles abläuft.

Ich möchte meiner verehrten Community einmal aufzeigen können, was auf so einem Riesenkahn in Sachen Food und Logistik alles notwendig sein muss. Wie viele Eier verschwinden z.B. jeden Tag in den nimmersatten Bäuchen der Gäste oder wie hoch ist der Bierkonsum/Tag. Aber hierzu muss ich zuerst recherchieren und ich brauche die richtigen Connections. Aber ich hoffe, eines Tages diese überaus interessanten Zahlen liefern zu können. Besonders für die Mitglieder meines Kochclubs …

Die Grossstadt Recife, die für morgen unser erklärtes Ziel darstellt, ist mit 1,5 Mio Einwohnern die 3. grösste Stadt Brasiliens. Da der Wetterbericht für morgen Hitze von über 32 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit vorsieht, werde ich hier auf meiner Hütte bleiben. Die Stadt ist ein Moloch und bietet neben einigen wenigen alten Regierungsgebäuden und Plätzen nicht eben viele Sehenswürdigkeiten, die mich interessieren würden. Und der wirklich schöne und saubere Sandstrand vor der Skyline ist nicht zum Baden geeignet, da von Haien verseucht!


 
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Donnerstag, 19.1.17, Recife vor Anker, 32 Grad C.

Bei schönstem Badewetter, die 2 Pools der CL sind gut besucht, kreuzten wir gestern gegen 13h den kleinen Archipel Fernando de Noronha. Dieser liegt etwa 350 km östlich des brasilianischen Festlandes. Vor zwanzig Jahren lebte die Bevölkerung hier noch fast ausschließlich vom Fischfang und von der Landwirtschaft. Heute beschäftigt dieser Bereich weniger als 100 Personen. Ein Großteil der Inselbevölkerung ist im Tourismussektor tätig. Die Insel wird als einer der weltbesten Plätze zum Tauchen beworben. Es gibt tägliche Flugverbindungen nach Recife und Natal.

Seit die erste dieser insgesamt 13 Inseln in unser Blickfeld geraten ist, wird die CL von Wasservögeln im Flug begleitet. Das Kreischen der Möwen ist weit herum zu hören.  Die eindrückliche Grösse einer Art, die die CL mit akrobatischen Flugleistungen begleitet, ist, gemäss meinen Recherchen auf Wikipedia, der Schwarzkappen-Sturmtaucher, mit über 150 cm Flügelspannweite ein richtiger Brummer und famoser Flugkünstler. Er fliegt eine Weile neben meiner Hütte her, um dann Schwung holend, pfeilschnell ins Wasser zu schiessen, um so einen Fisch zu jagen. Sieht sehr eindrücklich aus!

Wie bereits angekündigt, werde ich heute nicht nach Recife gondeln, um die Stadt zu besichtigen, es ist mir einfach zu tüppig. Die jungen Leute hier, sitzen schon seit 9 Uhr am Morgen im Pool und plantschen fröhlich herum. Ich denke, dass ich die Badehose heute auch einmal nass machen sollte.

Die Kleidungsempfehlung für heute Abend ist gemäss DIARIO DI BORDO leger, also nichts wie hin, duschen und gaaaanz legeeere anziehen.
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